Russisch
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Seen flogen nur so vorbei, blaue Wälder huschten vorüber. Irgendwann erreichten sie eine hohe Festung.
Da sprach der graue Wolf:
„Hör zu, Iwan! Klettere über die Mauer! Hab keine Angst, die Stunde ist günstig, die Wachen schlafen alle. Hinter der Mauer ist ein Garten und im Garten sitzt der Feuervogel in einem goldenen Käfig. Nimm den Vogel, doch rühre den Käfig nicht an, sonst wird ein Unheil geschehen.“
Iwan kletterte über die Mauer, nahm den Vogel und steckte ihn unter sein Hemd. Doch dann fiel sein Auge auf den Käfig. Das Gold glänzte, es war für Iwan nicht möglich zu widerstehen. Sobald er aber den Käfig berührte, füllte sich der ganze Garten mit einem lauten Glockenton.
Die Wachen eilten herbei, packten Iwan und führten ihn zum Zaren Afron. Dieser fragte ihn:
„Wer bist du, wo kommst du her?“
„Ich bind der Sohn von Zar Berendej, Zarewitsch Iwan.“
„Was für eine Schande! Ein Zarensohn, der stiehlt!“
„Und wieso plünderte Euer Vogel unseren Garten?“
„Wenn du einfach zu mir gekommen wärst und mich darum gebeten hättest, hätte ich dir den Feuervogel aus Respekt vor deinem Vater geschenkt! Nun werde ich aber in allen Städten erzählen, dass in Eurer Familie ein Dieb ist! Doch wenn du mir einen Gefallen tust, werde ich dir verzeihen. Der Zar Kusman besitzt ein Pferd mit goldener Mähne. Bring mir dieses Pferd, dann werde ich dir den Feuervogel schenken.“
Da wurde Iwan traurig. Als er zum grauen Wolf zurückkehrte, sprach zu ihm dieser:
„Ich sagte dir doch, den goldenen Käfig nicht anzurühren. Wieso hast du nicht auf mich gehört?“
„Verzeih mir, grauer Wolf“, sprach Iwan.
„Also gut. Setz dich auf mich.“
Und sie ritten zu der Festung, wo das Pferd mit der goldenen Mähne stand.


„Iwan, steig über die Mauer, die Wachen schlafen alle. Gehe zum Stall und nimm das Pferd, doch fasse sein reiches Geschirr nicht an.“
Iwan fing das Pferd, doch er konnte nicht vor dem mit Edelsteinen verzierten Geschirr widerstehen. Als er das Geschirr anfasste, füllte ein lauter Glockenton den Stall, die Wachen kamen herbei, fingen Iwan und brachten ihn zum Zaren Kusman. Dieser fragte ihn :
„Wer bist du, wo kommst du her?“
„Ich bin der Sohn von Zar Berendej, Zarensohn Iwan.“
„Schäme dich, einen solche Diebstahl begehen zu wollen. Diese Tat ist nicht einmal des einfachsten Bauers würdig. Doch ich werde dir verzeihen, wenn du mir einen Gefallen tust. Der Zar Dolmat hat eine wunderschöne Tochter namens Helena. Bringe sie mir, dann werde ich dir das Pferd samt Geschirr schenken.“
Da wurde Iwan wieder traurig. Als er zum grauen Wolf zurückkehrte, sprach zu ihm dieser:
„Ich sagte dir doch, das Geschirr nicht anzurühren. Wieso hast du nicht auf mich gehört?“
„Verzeih mir, grauer Wolf“, sprach Iwan.
„Also gut. Steig auf mich herauf.“
Und sie ritten zur Festung von Zar Dolmat.
Im Garten der Festung sahen sie die Zarentochter Helena mit ihren Dienerinnen und Hofdamen spazieren gehen. Da sagte der graue Wolf:
„Also nein, diesmal werde ich dich nicht gehen lassen. Ich werde selber alles machen. Und du geh zurück, ich werde dich einholen.“
Sobald Helena sich von ihrer Gesellschaft getrennt hatte, fasste sie der graue Wolf und lief mit ihr weg. Als er Iwan erreichte, sprach er:
„Setz dich auf mich, so sind wir schneller.“
Und so ritten sie zum Reich von Zar Kusman. Da merkte der graue Wolf, dass Iwan wieder traurig war und fragte ihn:
„Iwan, wieso schweigst du? Wieso lässt du deinen Kopf hängen?“
Iwan antwortete:
„Wie kann ich denn nicht traurig sein? Wie soll ich mich von einer solchen Schönheit trennen? Wie kann ich sie gegen ein Pferd eintauschen?“
„Also gut.“, sagte der Wolf, „Ich helfe dir. Ich werde mich für dich in Helena verwandeln.“
Sie ließen Helena unter einer Eiche. Der Wolf aber stürzte sich auf die Erde und verwandelte sich plötzlich in Helena.
Also brachte ihn Iwan zum Zaren Kusman. Der Zar freute sich und sprach:
„Danke dir, Iwan, für die schöne Prinzessin! Nimm dir dein Pferd mit goldener Mähne samt dem Geschirr.“
Iwan nahm das Pferd, ritt zurück zu Helena, nahm sie mit und reiste weiter.
Währenddessen richtete Zar Kusman seine Hochzeit aus und feierte bis zum Abend. Dann brachte er Helena in sein Schlafgemach, doch sobald er sich mit ihr auf das Bett gelegt hatte, sah er eine Wolfsschnauze statt dem Geicht seiner jungen Braut. Der Zar fiel vor Angst aus dem Bett heraus, der Wolf aber lief weg. Er holte Iwan ein und fragte ihn:
„Wieso bist du nun wieder traurig?“
„Wie sollte ich denn nicht traurig sein? Es tut mir leid, das Pferd gegen den Feuervogel eintauschen zu müssen.“
„Also gut, auch diesmal werde ich dir helfen.“
Der grau Wolf stürzte sich auf die Erde und wurde zum Pferd mit der goldenen Mähne. Iwan brachte ihn zum Zar Afron und tauschte ihn gegen den Feuervogel ein. Dann kehrte er zu Fuß zu Helena zurück, setzte sie auf das Pferd, nahm den Käfig mit dem Feuervogel in seine Hände und ritt zurück nach Hause.
Währenddessen befahl Zar Afron, ihm sein geliebtes Pferd zu bringen, doch als er sich darauf setzen wollte, verwandelte es sich in den grauen Wolf. Da fiel der Zar vor Angst auf den Boden, der Wolf flüchtete und holte Iwan schnell wieder ein. Er sprach:
„Nun, Iwan, an diesem Ort habe ich dein Pferd gefressen, hier endet mein Dienst, jetzt musst du allein weiterreisen.“
Iwan verneigte sich dreimal vor dem grauen Wolf, der aber sprach zu ihm:
„Verabschiede dich nicht für immer von mir, Zarensohn, ich werde dir noch nützlich sein.“
Iwan setzte sich auf das goldene Pferde, setzte Helena neben sich, nahm den Käfig mit dem Feuervogel in die Hände und ritt zu seinem Vater.
Als sie das Reich von Berendej erreichten, legten sie sich für eine Weile hin, um auszuruhen. Sobald Iwan eingeschlafen war, ritten seine Brüder zu ihm heran. Sie waren in anderen Ländern auf der Suche auch dem Feuervogel umhergereist, doch mussten sie mit leeren Händen zurückkehren und nun sahen sie, was Iwan mitgebracht hatte. Also sprachen sie untereinander ab, Iwan zu töten. Sie nahmen ihre Schwerter heraus und schlugen ihm den Kopf ab. Dann setzten sie sich auf das Pferd mit der goldenen Mähne, nahmen den Käfig mit dem Feuervogel, setzten Helena neben sich auf das Pferd und schüchterten sie ein, nichts von alledem ihrem Vater zu erzählen.
Da lag also Iwan tot auf dem freien Felde und über ihm kreisten Krähen.


Plötzlich kam der graue Wolf hergelaufen und schnappte sich eine Krähe und einen Krähenküken.
„Krähe, fliege weg und hole mir das tote und das lebendige Wasser, sonst bringe ich dein Küken um.“
Ob bald, ob lang, kehrte die Krähe mit dem toten und dem lebendigen Wasser zurück.
Der graue Wolf goss das tote Wasser über Iwan und seine Wunden verheilten. Er goss das lebendige Wasser über ihn und Iwan lebte wieder.
„Habe ich fest geschlafen!“ „Tja, wenn ich nicht wäre, würdest du nie wieder aufwachen! Deine eigenen Brüder haben dich getötet und alle deine Reichtümer mitgenommen.“
Iwan setzte sich auf den grauen Wolf und sie ritten zum Reich von Iwans Vater.
Als der Wolf Iwan zu seines Vaters Festung brachte, sprach er:
„Nun verabschiede dich von mir für immer. Gehe, eile nach Hause.“
Als Iwan bei dem Schloss ankam, sah er eine feierlich gekleidete Menschenmenge und fragte, welches Fest angebrochen war.
„Der älteste Sohn heiratet Prinzessin Helena!“
Da lief Iwan noch schneller. Als er im Schloss seinen ältesten Bruder traf, wurde dieser blass vor Angst. Helena freute sich indessen, lief zu Iwan, nahm seine Hand und sprach zum Zaren:
„Das ist derjenige, der mich hergebracht hat!“
Und sie erzählte ihm, wie sich alles zugetragen hatte. Der Zar wurde über seine älteren Söhne zornig und verbannte sie, Iwan machte er aber zu seinem Thronfolger.
Bald wurde eine Hochzeit gefeiert, wie man sie noch nie gesehen hatte. Und so lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage.


Bilder von I.Bilibin, B. Wasnezov, B. Zworykin